Als die Hamas in den frühen Morgenstunden des 7. Oktobers 2023 begann, ihren mit unglaublicher Brutalität gegen Zivilisten geplanten Angriff auszuführen, war der israelische Staat in Verhandlungen mit Saudi-Arabien. Es lag ein Hauch von Annäherung, Händereichen und Verständigung in der Luft. Das Abkommen zwischen den beiden Staaten hatte die Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Staaten zum Ziel.
Eine Stimmung, die man als vorsichtig optimistisch bezeichnen konnte.
Dann kam der Morgen des 7. Oktober und mit Terror-Angriff der Hamas endete abrupt dieses hoffnungsvolle Zeichen der Versöhnung.
Die Nachrichten, die uns an diesem Samstagmorgen erreichten, waren bestürzend, chaotisch, verwirrend und für uns war in den ersten Stunden noch nicht wirklich nachvollziehbar, was sich gerade einige tausend Kilometer entfernt von uns ereignete. Erst im Verlauf der nächsten Tage trafen Nachrichten ein, in denen etwas von der Brutalität deutlich wurde, mit der die Hamas an diesem Tag vorgegangen war.
Gut einen Monat später, an einem kühlen November-Tag, die Schlagzahl des Tages geht runter und dem Wochenende entgegen, bekam ich von einem Freund Fotos von den Zerstörungen, die im Kibbutz Be’eri, aber auch in den Kibbutzim Re’im und Nir Oz von den Hamas-Terroristen am 7. Oktober begangen wurden. Die Fotos erreichten mich während einer gewöhnlichen und wie so häufig verspäteten Bahnfahrt von Würzburg nach Heidelberg. Draußen zog die Idylle Bayerns und Baden-Württembergs vorbei, auf meinem Mobiltelefon sammelte sich eine Galerie des Grauens. Ich antwortete dem Freund: „We have to show the pictures to friends, family, the world…“. In der zweiten Minute war mir klar, dass diese Fotos, nicht mir allein diesen Horror in Bildern gefasst vor Augen halten sollten, sondern, dass diese gezeigt werden müssen, da bereits wenige Wochen nach dem 7. Oktober schon die Hamas-Jubel-Camps begannen, Süßigkeiten vor Freude verteilt wurden und das „Ja, aber“ in der Mitte der Gesellschaft Grundstimmung wurde. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft Würzburg und Rhein-Neckar, denen ich schrieb und die Fotos zusandte, sagten beide sofort zu, aus den Fotos, die mir der Freund aus den Kibbutzim Be’eri, Re’im und Nir Oz schickte eine Ausstellung zu machen.
Am 19. Januar 2024 kam das Kuratorinnen-Team erstmals zusammen: Konstantin Mack (Vorsitzender DIG Würzburg), Riccardo Altieri (Stellv. Vorsitzender der DIG Würzburg und Leiter des Johanna Stahl-Zentrums), Marian Fritsch (Johanna Stahl-Zentrum) Christian Soeder (Stellv. Vorsitzender der DIG Rhein-Neckar), Judith Wetzka und Sabrina Zinke (DIG Würzburg). Es war nicht leicht durch die Aufnahmen zu gehen, obwohl keines ermordete Menschen zeigte. Aber selbst die Abwesenheit von Blut oder Leichen machte es nicht leichter die Fotos durchzusehen. Wir haben uns auf 20 Aufnahmen geeinigt, die wir zu einer Fotoausstellung zusammenstellten. Die Fotoausstellung nahm Formen an, nur fehlte es uns an einem Titel.
Da mein Israel-Aufenthalt nicht einmal zwei Wochen her war, mich die Ausstellung zum Nova-Festival „6:29“ auf dem Expo-Gelände in Tel Aviv nach wie vor beeindruckte, schlug ich vor, ob wir uns an dem Titel dieser Ausstellung orientieren sollten: Am 7. Oktober 2023 um 6:29 Uhr durchschnitten Hamas-Terroristen den Grenzzaun, der Gaza von Israel trennte. Ich schaute mir Videos der Überwachungskamera des Kibbutz Be’eri an und stoppte die Uhr, als der Angriff und Überfall auf den Kibbutz begann: 6:56 Uhr.
Der Text zur Ausstellung war bereits geschrieben, auch mit den Fehlern, die wir erst in den letzten Wochen korrigieren konnten. Wir hatten zwischenzeitlich keinen Kontakt zu unserem Fotografen, da er als Reservist an die libanesische Grenze beordert wurde, so dass wir es nicht mehr schafften alle Aufnahmen mit unseren Angaben von unserem Fotografen prüfen zu lassen. Die Fotos gingen in den Druck.
Zunächst war angedacht, die Ausstellung in Würzburg im März und anschließend bei unserem DIG Kooperationspartner in Mannheim im April zu zeigen. In dem DIG-Rundbrief haben wir jedoch notiert, dass sich andere DIG Gruppen melden können, um die Ausstellung auch in ihrer Stadt zu zeigen. Schon bald erhielten wir Anfragen, so entstand die Idee die Ausstellung „6:56“ auf Wanderschaft gehen zu lassen.
Wir hatten auch eine Anfrage der DIG Frankfurt, worüber sich unser Freund und Fotograf in Israel besonders freute, denn er lebte etwa vier Jahren in Frankfurt und arbeitete für die israelische Fluggesellschaft EL AL. Im Mai war geplant die Ausstellung „6:56“ in Frankfurt zu zeigen. Der Fotograf kam nach Deutschland, um an der Ausstellungseröffnung in Frankfurt teilzunehmen. Aus verschiedenen Gründen fand die DIG Frankfurt keine Räumlichkeiten und sagte die Ausstellung gänzlich ab. Wir nutzen aber die Gelegenheit des Besuchs unseres Freundes, um ihn zu den Hintergründen der Aufnahmen zu befragen. Judith, die hebräisch spricht, traf sich in Frankfurt mit ihm, um mit ihm durch die Bilder, die wir für die Ausstellung ausgewählt haben, zu gehen und mehr über die Umstände, unter denen sie im November 2023 entstanden sind, zu erfahren. Es stellte sich dabei heraus, dass sechs der Fotografien nicht im Kibbutz Be’eri aufgenommen wurden, sondern in den Kibbutzim Re’im und Nir Oz. Die Beschriftung der Bilder haben wir in der laufenden Ausstellung korrigiert. Auch den Einführungstext haben wir angepasst und aktualisiert.
Text: Sabrina Zinke, Mitarbeit: Judith Wetzka